Die Textilindustrie lockte vor etwa einem halben Jahrhundert viele italienische Gastarbeiter nach Lörrach. Viele der Fabriken sind zwar längst geschlossen, doch noch immer gibt es eine große italienische Kolonie in der Stadt. Nur ein paar Straßen vom Lörracher Little-Italy entfernt, betreiben Morena und Nunziato Imbrogiano stilecht das "Tavola Calda Etna". "Etna" steht dabei für die sizilianische Heimat des Hausherrn. Er selbst bedient den Pizzaofen, Ehefrau Morena ist für den ganzen Rest der Küche zuständig.

"Tavola calda" – wörtlich: der warme Tisch – bezeichnet die einfachste der italienischen Restaurant-Typen. Darin vorherrschend ist die "Cucina casalinga", die typische Hausfrauenküche. Was natürlich ein besonderes Qualitätsmerkmal ist. Im "Tavola Calda Etna" wird dieser Stil gepflegt. Die Speisen sind oft feuriger gewürzt und sie erhalten etwa durch die Verwendung von Wurstspezialitäten eine deftige Note. Wer das am Beispiel erläutert haben möchte, der bestelle am besten die Pizza Nunzio, die Spezialität des Chefs. Dabei handelt es sich um Tomatensoße, scharfe Salami, frische Paprikastreifen, Oliven und Käse auf einem Boden, der so dünn und kross aus dem Ofen kommt, wie man es nördlich der Alpen selten antrifft.

Neben Pizza sind die hausgemachten Teigwaren das zweite Markenzeichen von "Tavola Calda". Eine Spezialität sind die Ravioli con Salsiccia, die mit italienischer Bratwurst gefüllt sind und entweder in Tomatensoße oder mit Salbeibutter auf den Tisch kommen. Wer jemals in Süditalien frisch zubereitete Lasagne genossen hat, wird dieses Gericht auf deutschem Boden kaum bestellen, weil dann meist ein Schälchen mit blubberndem Käse-Teig-Magma serviert wird. Im "Tavola Calda" kann man risikolos eine Ausnahme machen: Die Lasagne kommt frisch aus dem Ofen, die Teigschichten haben Konsistenz und dazwischen sorgen Hackfleisch, Schinkenwürfel und Pilze für Abwechslung. Das gibt es auch in der vegetarischen Version mit verschiedenen Gemüsesorten.

Zusätzlich zur Standardkarte wird ein Schiefertäfelchen mit täglich wechselnden Gerichten an die Tische gebracht, auf denen zuweilen auch Fleisch- und Fischgerichte verzeichnet sind.

Fast von selbst versteht sich, dass der Gast auf Anhieb wie ein Familienmitglied behandelt wird, was im Gegenzug dazu führt, dass der Gast gern bereit ist, das zuweilen bunte Treiben mit einer gewissen Langmut zu begleiten. Ein besonderer Tipp sei dem Espresso gewidmet, der hier als schwärzester Ristretto serviert wird. Was man in der Tavola Calda Etna allerdings schmerzlich vermisst, ist einer jener wuchtigen sizilianischen Weine im offenen Ausschank. Es gibt nur einen Montepulciano und einen weißen aus dem Veneto. Nicht schlecht, aber zu wenig an Auswahl.

Badische Zeitung, Montag 15. Oktober 2012

 

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© Lorenzo Imbrogiano